Die Kürzungen im Bildungsbereich haben auch die ILB schwer getroffen. 10 Lehrer:innen gibt es seit 2018 weniger. Wir möchten euch berichten, was sich seither an der ILB verändert hat und wie sich das auswirkt.

Die Integrative Lernwerkstatt Brigittenau, abgekürzt ILB, wurde 1998 als Schulversuch gegründet.

Es gab keine Noten, stattdessen sollte jedes Kind in seinem eigenen Tempo lernen können.

Lernabschnittskontrollen dienen dazu, wozu Leistungsüberprüfungen eigentlich gedacht sind. Als Kontrolle: Habe ich den Lernstoff verstanden? Was ist mir nicht klar? Die Konsequenz daraus ist nicht die eine, finale Ziffernnote. Die Konsequenz ist, bei Bedarf den Stoff noch einmal zu erklären, zu wiederholen, noch einmal zu lernen.

Die Schule hat einen späteren Schulbeginn, weil etliche Studien bewiesen haben, dass ein früher Schulbeginn nicht dem Biorhythmus von Jugendlichen entspricht. Sie sind dann in der ersten Stunde schlicht nicht leistungsfähig.

Der Unterricht erfolgt in Mehrstufenklassen mit reformpädagogischen Methoden und Materialien. Das heißt in einer Klasse werden Kinder unterschiedlicher Altersstufen gemeinsam unterrichtet. Kinder ohne und mit Behinderung lernen hier gemeinsam. Jedes Kind in seinem Tempo. Unterschiede werden nicht nur toleriert, sie sind die Stärke der Mehrstufenklassen.

Die Schule ist eine Ganztagesschule mit Volksschule und Mittelschule in einem.

Der Unterricht findet verschränkt statt. Das heißt, den ganzen Tag wechseln sich Lerneinheiten mit Freizeit ab.

Lehrer:innen und Freizeitpädagog:innen arbeiten als Team zusammen. So soll das Kind bestmöglich und ganzheitlich gefördert und gefordert werden.

Es gibt das AU-Projekt. Ein Lernort in der Stockerauer Au, in der die Kinder Natur erleben und in der Natur lernen können. Durch die Erweiterung in den Lernraum Natur sollte für die Schüler:innen ein Stück Freiraum geschaffen werden, in welchem sie selbständig Erfahrungen mit allen Sinnen machen und Natur „aus erster Hand“ erleben können.

Es gibt die MOGLLI (Mobile Outdoor Gruppe Leben Lernen Inklusiv) Gruppe, in der Kinder mehr Freiraum in der Natur und extra Zeit draußen bekommen.

Was ist heute noch davon geblieben?

Vieles, was die ILB ausgemacht hat, gibt es auch heute noch. Aber: Vieles davon nur, weil es besonders engagierte Freizeitpädagog:innen, Lehrer:innen und ein ebensolches Leitungsteam gibt.

Seit dem beschlossenen Pädagogik-Paket 2017 gibt es laufend Verschlechterungen. Es wird an allen Ecken und Enden gespart:
• an Lehrer:innenstunden,
• an Stunden für die Freizeitpädagog:innen,
• bei der Ausbildung der Pädagog:innen,
• an der Ausstattung,
• an versprochenem unterstützendem Personal in den Schulen.

Leidtragende sind in erster Linie unsere Kinder. Ihre Lernbedingungen werden immer schlechter. Die Qualität in der Bildung nimmt immer weiter ab. Ihre Zukunftschancen und damit jene der zukünftigen Gesellschaft werden kleiner.

Durch die Sparmaßnahmen wird eine Abwärtsspirale in Gang gesetzt: immer mehr verlassen das System oder machen aus Selbstschutz „Dienst nach Vorschrift“, weil die Arbeit nicht mehr so qualitativ geleistet werden kann, wie man das möchte und gelernt hat. Die Folge: die verbleibenden Personen müssen immer mehr stemmen. Das führt dazu, dass auch sie ausbrennen und den Beruf verlassen, wenn es nicht mehr anders geht.

Was heißen die Verschlechterungen in Zahlen?

Seit 2018 gibt es an der ILB um 10 Lehrer:innen weniger!
Und auch bei den Freizeitpädagog:innen ist die Personalsituation sehr prekär!
Alleine in den letzten zwei Jahren fielen 6 Lehrer:innen durch die eingeführte Klassenschüler:innenMINDESTzahl von 25 Kindern pro Klasse weg.

Zur Erklärung: Erst ab einem jeweiligen 25er Sprung an Kindern (> 25 KK, > 50 KK, > 75 KK…) gibt es Stunden für weitere Lehrkräfte. Dabei spielt es keine Rolle, ob in der Klasse auch Schüler:innen mit Behinderung unterrichtet werden oder nicht. Bis vor einigen Jahren gab es noch eine Doppelzählung der Integrationskinder, damit konnte die Klassenschülerzahl auch unter 25 Köpfen liegen.

Auch der Wegfall von anderen Stunden (wie z.B. der lange gewährten Förderstunden 2.0 oder das Auslaufen der Faßmannstunden nach nur zwei Semestern) trägt zur angespannten Situation bei. Dass dann vereinzelt doch wieder zusätzliche Stunden unter dem laufenden Schuljahr gewährt werden, ist der Situation nicht zuträglich. Denn unterjährig findet man kein Personal, was bedeutet, dass diese Stunden wieder mit Überstunden abgedeckt werden müssen.

Was Schulen, Eltern und Kinder brauchen, sind ausreichend Mittel für bessere Lern- und Arbeitsbedingungen und Planbarkeit.

Auch die Personalsituation bei den Freizeitpädagog:innen hat sich verändert. Konnten bis vor zwei Jahren noch Freizeitpädagog:innen für Kinder mit außerordentlichen Betreuungsbedarf (Kinder in Krisensituationen) angefordert werden, so gibt es diese Möglichkeit nicht mehr.
Bei der Organisation Bildung im Mittelpunkt (BIM) gibt es ebenfalls Personalmangel und viele angeforderte Stunden in diesem Bereich bleiben offen oder können erst Monate später besetzt werden.

Was hat sich an der ILB seither verändert?

  • Die Klassen sind voll. Es müssen nicht nur mehr Kinder von den Lernbegleiter:innen unterrichtet und betreut werden, sondern auch der Platz für das einzelne Kind reduziert sich damit.
    Für einige Schüler:innen ist diese Enge in den Klassenräumen sowie die erhöhte Dynamik in Klassen mit erhöhter Schüler:innenzahl ein großes Problem!
  • MOGLLI (Mobile Outdoor Gruppe Leben Lernen Inklusiv) ist bei den älteren Schüler:innen nicht mehr möglich.
  • Den Klassen stehen insgesamt weniger Stunden zur Verfügung.
  • Krankenstände müssen öfter suppliert werden und längere Ausfälle von Kolleg:innen bzw. nicht nachbesetzte Stellen müssen von Kolleg:innen, die mehr Stunden übernehmen, geleistet werden. Offene Stellen können nur verzögert oder gar nicht nachbesetzt werden.

Neueste Entwicklungen

Erst kürzlich haben die Schulleitungen aller Ganztagesschulen erfahren, dass alle „Gemeinde Wien Stunden“ nur mehr halbwertig bezahlt werden. (Erklärung siehe weiter unten) Das Interesse von Lehrer:innen, solche Stunden zu übernehmen und damit Gehaltseinbußen in Kauf zu nehmen ist endend wollend.

Für die ILB bedeutet das, es gibt künftig wieder weniger Stunden für Lehrer:innen.

Die Bildungsdirektion argumentiert: Die Stunden fallen ja nicht weg, sie wandern „nur“ zu den Freizeitpädagog:innen, wenn sie die Lehrer:innen nicht in Anspruch nehmen.

Als Ersatz sollten an der ILB 5 bis 6 neue Freizeitpädagog:innen kommen. Doch da es auch hier Personalmangel und gleichzeitig immer neue Ganztagesschulen-Standorte gibt, gehen wir nicht davon aus, dass diese Stellen besetzt werden können.

Was können wir tun?

Als Elternverein und engagierte Eltern, wollen und können wir nicht länger dieser Abwärtsspirale zusehen. Die Politik MUSS handeln!

Als nächste Aktion gibt es den Aktionstag Bildung am 15.6.2023 in ganz Österreich.

Auch die Freizeitpädagog:innen beteiligen sich daran. Sie veranstalten an dem Tag eine Betriebsversammlung, wonach alle den Anspruch haben, sich für diese Zeit frei zu nehmen und teilzunehmen.

Von Elternseite wäre es SEHR WICHTIG, dass wir an diesem Tag unsere Kinder früher holen und so auch den Lehrer:innen ermöglichen, am Protest teilzunehmen!

Es wird hierzu noch einen gesonderten Aufruf geben, aber bitte tragt euch den Tag schon einmal ein!

Wir müssen zusammenhalten!


Was sind „Gemeinde Wien Stunden“?

Früher war es möglich, dass Freizeitstunden auch von Lehrer:innen gehalten wurden. Sie wurden gleich entlohnt wie Unterrichtsstunden. Das wurde durch die Gemeinde Wien Stunden finanziert.

Nun gibt es diese Möglichkeit nur noch für Lehrer:innen mit alten Dienstverträgen. Sie bekommen aber nur noch die Hälfte bezahlt.

Für Lehrer:innen mit neuen Dienstverträgen gibt es diese Möglichkeit gar nicht mehr.

Die Argumentation: Lehrer:innen sollen unterrichten, Freizeitpädagog:innen sollen die Freizeitstunden halten. Alle sollen machen, wofür sie ausgebildet wurden.

Das wird zu Problemen führen:

• Was ist, wenn eine Freizeitpädagog:in krank ist und es keinen Ersatz gibt? Oder wenn die Stellen überhaupt offen bleiben?

Da es keinen gesetzlichen Betreuungsschlüssel und keine Klassenschüler:innenhöchstzahl gibt, wären Szenarien von 100 Kindern, die im Notfall vielleicht von nur zwei Freizeitpädagog:innen „betreut“ werden können, denkbar.

• Flexibilität über den Tag verteilt ist so gar nicht mehr möglich. Es muss genau geplant werden, wann Unterricht und wann Freizeit stattfindet.

Die Verschränkung gibt es nur noch am Papier.

• Teamteaching, also das gemeinsame arbeiten am Kind, ist kaum noch möglich. Was das Kind bewegt, wie es ganzheitlich ist, geht dann auch in einer verschränkten Ganztagesschule immer mehr unter.