Erst kürzlich hat die SPÖ einen neuen Vorstoß im Hinblick auf das Bildungssystem gewagt. Es gab Forderungen nach einer Schule für alle 6 bis 14-jährigen, Fragen nach der Sinnhaftigkeit einer Matura oder auch nach Ziffernnoten. Aus bildungswissenschaftlicher Sicht alles höchst sinnvoll und auch längst überfällig, gesamtgesellschaftlich darüber zu diskutieren.

Doch leider polarisiert kaum etwas so sehr, wie die Noten. Kein Wunder, sind wir doch alle damit groß geworden. Noten sind für viele so selbstverständlich, dass man sich manchmal schwer tut bei der Vorstellung, man könnte auch ohne Noten etwas lernen. Umgekehrt wird Menschen, wie z.B. vielen Eltern an der ILB, die sehen, dass Kinder auch ohne Ziffernnoten lernen können, oftmals unterstellt eine verklärte Vorstellung von Pädagogik zu haben oder schlicht Leistungsverweigerer zu sein.

Dabei geht es in der Frage der verpflichtenden Ziffernnoten nicht darum, ob Noten „böse“ sind. Es geht auch nicht darum, dass man keine Leistungen mehr in der Schule fordert. Genau im Gegenteil!

Ziffernnoten sind nachgewiesen in vielen Studien keine adäquate Leistungsrückmeldung, sie sind das falsche Messinstrument für das, was man messen will. Sie erfüllen weder wissenschaftliche Kriterien wie Objektivität, Reliabilität oder Validität noch wirken sie sich positiv auf die (Lern-)Motivation aus. Und das ist ja das Gegenteil, was man in der Schule will: die Schüler:innen SOLLEN ja gerne lernen, neugierig sein, Dinge hinterfragen. Kinder, die Schwächen haben, sollen nicht entmutigt werden besser zu werden und Kinder mit einer Begabung sollen auch dort motiviert bleiben NOCH besser zu werden und sich nicht auf der 1 ausruhen.

Die Polemik, die in dieser – wie auch in der Frage einer Gesamtschule für alle Kinder bis 14 Jahren – aber an den Tag gelegt wird, ist kaum zu überbieten. Es scheint so, als wolle man sich unter keinen Umständen wissens- und faktenbasierend mit der Frage auseinandersetzen wollen, wie wir eine Lernumgebung, ein Bildungssystem schaffen, durch das zumindest eine Annäherung an Chancengleichheit erreicht wird. In dem nicht bereits von Geburt an (durch die Möglichkeiten der Eltern und des Umfelds in dem man aufwächst) zementiert ist, wie weit es die Kinder bringen werden. Ein Bildungssystem, in dem Kindern erlaubt wird individuell zu sein und auch so zu lernen und sich selbst und die Fähigkeiten zu entfalten. Eines, in dem – tief durchatmen – Kinder sogar gerne lernen!

Unser derzeitiger Bildungsminister, Martin Polaschek, engagiert sich sehr gegen die Wissenschaftsskepsis. Vielleicht stünde es auch ihm gut, die langjährigen Erkenntnisse der Bildungswissenschaften endlich umzusetzen: Ziffernnoten sind in der Schule das falsche (Mess-)Instrument.

Von Barbara Trautendorfer
Mitglied im Elternverein der ILB und Initiatorin der Parlamentarischen Bürger:inneninitiative „Gegen verpflichtende Ziffernnoten“