Das Institut für LehrerInnenbildung und Schulforschung an der Universität Innsbruck kommt in seiner Stellungnahme zur Parlamentarischen Bürger*inneninitiative von „Schule.schafft.Autonomie“, „Die Ermöglichung der alternativen Leistungsbeurteilung ohne Noten im Rahmen der Schulautonomie“ zum eindeutigen Schluss, dass Noten kein geeignetes Mittel sind, um die Leistungen von Schüler*innen zu bewerten. Zahlreiche Studien werden angeführt, deren Ergebnisse der Notenbewertung ein katastrophales Zeugnis ausstellen. Ziffernnoten erfüllen weder die zentralen Funktionen einer Leistungsbewertung: Rückmeldung und Berichtsfunktion, sie motivieren nicht zum Lernen, sind weder objektiv noch vergleichbar und sollten deshalb auch nicht als Grundlage für Selektionsentscheidungen herangezogen werden.

Auf acht Seiten fasst die Autorin, Ass.-Prof. Dr. Claudia Schreiner, die aktuellsten wissenschaftlichen Erkenntnisse zusammen und kommt zu einem eindeutigen Ergebnis: Ziffernnoten mangelt es nachgewiesenermaßen an Objektivität (das heißt die Leistungsbeurteilung ist unabhängig von der beurteilenden Person), Validität (Gültigkeit; wird gemessen, was gemessen werden soll?) und Reliabilität (ist die Leistungsbeurteilung unabhängig von äußeren Umständen wie z.B. Tageszeit, Reihenfolge der Prüflinge?). In zahlreichen Studien, teilweise seit den 1970er Jahren, wurde festgestellt, dass die Leistungsbewertung nicht nur in höchstem Maße von der Person des/der Lehrer*in abhängig ist, sondern auch von äußeren Umständen (z.B. wird die Arbeit anders bewertet wenn zuvor mehrere schlechtere Arbeiten bewertet wurden), ja sogar sachfremde Informationen (wie z.B. der Sprachstil bei naturwissenschaftlichen Arbeiten) spielen eine große Rolle und es gibt eine systematische Verzerrung der Notengebung durch Merkmale wie Geschlecht oder soziale Herkunft.

Eine Bewertung braucht außerdem immer einen Vergleichsmaßstab, wovon es drei Arten gibt: die soziale Bezugsnorm (im Vergleich zu anderen), die Sachnorm (im Vergleich zu inhaltlichen Kriterien) und die individuelle Bezugsnorm (im Vergleich zu früher, Lernfortschritt).

Da Noten weder die Sachnorm noch die individuelle Bezugsnorm abbilden KÖNNEN, bleibt als einziger Vergleichsmaßstab jener zu anderen Schüler*innen (in der Klasse, Schule, Region usw.). Das erzeugt Konkurrenzdruck, hat negative Auswirkungen auf die Lernmotivation und weist keinen Bezug zu inhaltlichen Lernzielen auf.

Alternative Formen der Leistungsbewertung ermöglichen es, Bezugsnormen größeres Gewicht zu geben, die für den Lernprozess förderlich sind (Individualnorm, Sachnorm) und weisen das Potenzial auf, detailliertere, stärker auf die Lernziele fokussierte Rückmeldungen zu geben, was sowohl in Bezug auf die Motivation als auch die direkte Wirkung auf den Lernprozess günstig ist.

In Bezug auf die zentralen Funktionen, welche Leistungsbeurteilung erfüllt – Rückmeldung, Bericht, Selektion – sprechen die Studienergebnisse ebenfalls eine eindeutige Sprache.

Rückmeldung wird als fundamental für Lernen angesehen. Durch Rückmeldungen erhalten Lernende Aufschluss darüber, wie erfolgreich ihre Anstrengungen waren und wo sie im Lernprozess stehen. Da Beurteilungen in Bezug auf die Rückmeldefunktion dann besonders hilfreich sind, wenn sie den Schülerinnen und Schülern konkrete Hinweise für die weitere Arbeit geben, sind Ziffernnoten als lernförderliche Rückmeldungen nicht geeignet.

In ihrer Berichtsfunktion sollen Noten Auskunft darüber geben, was Schülerinnen und Schüler in Bezug auf die anzustrebenden Kompetenzen eines Fachs bereits gelernt haben. Allerdings können Ziffern die Komplexität der anzustrebenden Kompetenzen nicht abbilden und sind deshalb wenig aussagekräftig, suggerieren dabei jedoch Genauigkeit, Vergleichbarkeit und Prognosefähigkeit, obwohl sie diese Kriterien nicht erfüllen.

Brügelmann merkt bezüglich der Selektionsfunktion der Notengebung an, dass in der Schule „die Förder- und Berichtsfunktion Vorrang haben“ müssen (2006, S. 40). Dies gilt für die ersten Schulstufen in besonderem Maße. Die geringe prognostische Validität und die mangelnde Objektivität und Zuverlässigkeit, die der schulischen Leistungsbewertung in Studien bescheinigt wird, „entziehen ihnen [den Bewertungen] die Grundlage für Selektionsentscheidungen (ebd., S. 27).“

Abschließend wird festgestellt, dass die breite Akzeptanz von Ziffernnoten wohl nur daher rührt, weil es immer schon so war und wenige (Eltern) andere Ansätze kennen:

„Die weite Akzeptanz der ziffernnotenbasierten Beurteilung beruht vor allem auf der historisch gewachsenen Vertrautheit mit diesem System über Generationen hinweg. Schüler*innen, Eltern und Lehrpersonen sind mit dem System vertraut und haben mit anderen Ansätzen in der Regel wenig bis keine Erfahrung. Vor dem Hintergrund der empirischen Befunde zur Qualität schulischer Leistungsbeurteilung erscheint dies allerdings nur bedingt als Vorteil.“